SoundInsightN°31
Anleihen
Aktien
Volatilität made in Washington
Vor rund zwei Monaten kündigte US-Präsident Donald Trump sein umfassendes Zollpaket an. Seit dem 5. April gilt ein pauschaler Einfuhrzoll von 10 % auf nahezu alle Importe. Hinzu kommen länderspezifische Strafzölle, abhängig von der Höhe der Handelsüberschüsse und bestehenden Zollbarrieren der jeweiligen Länder.
Trump begründet die Massnahmen mit wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen. Langjährige Handelsdefizite und die Abhängigkeit von Importen sieht er als Bedrohung für die nationale Sicherheit. Ziel ist die Rückverlagerung von Produktion in die USA und eine Verbesserung der Handelsbilanz. Gleichzeitig dienen die Zölle als Druckmittel in bilateralen Verhandlungen.
Zeitliche Fristen, 90-Tage-Pause und Ausnahmen
Aufgrund heftiger Turbulenzen an den Finanzmärkten Anfang April entschied Trump, vielen Ländern, darunter auch der EU, eine 90-tägige Zollpause für die länderspezifischen Zusatzzölle zu gewähren. Ausgenommen von dieser Aussetzung war zunächst China. Die generelle 10 %-Basisabgabe wurde ebenfalls nicht pausiert.
Im Fall Chinas kam es zu einer diplomatischen Wende: Nach anfänglicher Eskalation und chinesischen Gegenzöllen trafen sich US-Finanzminister Scott Bessent und Handelsbeauftragter Jamieson Greer mit einer chinesischen Delegation zu Gesprächen in der Schweiz. Am 12. Mai 2025 wurde bekannt gegeben, dass die USA ihre kombinierten Zölle auf chinesische Waren von zuvor 145 % auf 30 % senken. Im Gegenzug senkte China seine Gegenzölle auf US-Waren von 125 % auf 10 %.
Die zeitliche Staffelung der Massnahmen lässt sich folgendermassen zusammenfassen:
- 2. April Trump verkündet umfassende neue Zölle (10 % auf alle Importe; zusätzliche reziproke Zölle je nach Land).
- 5. April Beginn der Erhebung des 10 %-Basiszolls.
- 9. April Ankündigung einer 90-Tage-Aussetzung der länderspezifischen Zusatz-Zölle (ausser für China).
- 13. April China reagiert mit Gegenzöllen.
- 12. Mai USA und China geben nach Gesprächen in der Schweiz beiderseitige Zollsenkungen bekannt.
- 23. Mai Trump droht der EU mit Erhöhung der Zölle auf 50 % ab 1. Juni.
- 26. Mai Trump verlängert die Deadline für die angedrohten EU-Zölle auf den 9. Juli.
- 29. Mai US-Handelsgericht erklärt Zölle für rechtswidrig. Regierung legt Berufung ein.
- 29. Mai Berufungsgericht setzt Aussetzung aus.
- 9. Juli Geplantes Ende der 90-Tage-Verhandlungsfrist.
Rechtsentwicklung und Gerichtsurteil vom 29. Mai 2025
Am 29. Mai 2025 erlitt Trump vor dem Gericht für internationalen Handel in New York einen entscheidenden Dämpfer: Ein dreiköpfiges Richtergremium urteilte, dass Trump mit der pauschalen Einführung von Zöllen unter Berufung auf das Notstandsrecht seine Befugnisse überschritten habe. Das Gericht erklärte die betreffenden Zölle für rechtswidrig. Praktisch blockierte die Entscheidung damit fast alle von Trump seit Januar erlassenen Zölle. Ausgenommen blieben lediglich jene sektoralen Zölle (z.B. auf Stahl, Aluminium, Autos), die auf Basis anderer Gesetze mit Kongressdelegation erlassen worden waren. Noch am Abend des 29. Mai erreichte das Justizministerium beim zuständigen Berufungsgericht einen Aufschub der Umsetzung. Es wird allgemein erwartet, dass der Streit letztlich vor dem Obersten US-Gerichtshof landen wird.
Medienecho und politische Bewertung
Die internationale Presse kritisiert zunehmend Trumps unvorhersehbare Zollpolitik. Die rasche Einführung und anschliessende Rücknahme von Massnahmen, wie im Fall Chinas, wird als Zeichen taktischer und inkonsistenter Führung gewertet. Viele Beobachter sehen darin weniger eine strukturierte Strategie als vielmehr den Versuch, kurzfristige Verhandlungsvorteile zu erzielen.
In den USA wie in China mehren sich Zweifel an der Verlässlichkeit dieser Politik. Analysten weisen darauf hin, dass die Massnahmen bislang kaum messbare wirtschaftliche Erfolge brachten, dafür jedoch das Vertrauen von Unternehmen und Investoren belasteten.
An der Wall Street hat sich bereits die Bezeichnung TACO etabliert, eine scherzhafte Abkürzung für "Trump Always Chickens Out". Der Begriff bringt zum Ausdruck, dass viele Investoren davon ausgehen, dass die von Trump angekündigten Zölle primär als taktisches Druckmittel eingesetzt werden. Oft werden sie mit markterschütternder Wirkung angekündigt, später jedoch deutlich abgeschwächt oder ganz zurückgenommen. Diese Erwartungshaltung führt dazu, dass Marktreaktionen zunehmend als temporäre Übertreibungen interpretiert werden, die gezielt als Kaufgelegenheiten genutzt werden können.
Tarife als Bumerang? – Importpreise unter der Lupe
Jüngste Daten des Bureau of Labor Statistics und Analysen von Bloomberg Economics zeigen, dass die erhoffte Wirkung der US-Zölle bislang ausbleibt. Laut Importpreisindizes für April tragen in erster Linie US-Importeure die Kosten der Zölle, nicht etwa die ausländischen Exporteure.
So stiegen die „tarifbereinigten“ Importpreise kaum, während die tatsächlichen Importpreise inklusive Zölle deutlich anzogen. Für Konsumgüter ergibt sich ein Anstieg um 32 Prozentpunkte seit Januar – fast identisch mit dem theoretischen Wert, wenn alle Zölle auf US-Seite hängen bleiben würden. Selbst bei besonders hoch tarifierten Gütern aus China konnten nur minimale Preisrückgänge festgestellt werden. Bei Importen aus der EU und dem Vereinigten Königreich stiegen die Kosten sogar stärker als die Zölle selbst, bedingt durch Währungseffekte.
Diese Entwicklung legt nahe, dass die Zollpolitik für die USA zunehmend zur wirtschaftlichen Selbstbelastung wird. Eine Entlastung durch niedrigere Ausfuhrpreise auf Seite der Exporteure bleibt bislang aus, damit steigen letztlich nicht nur die Kosten für Unternehmen, sondern mittelbar auch für Verbraucher.
Positionierung für Anleger
Angesichts der weiterhin bestehenden Unsicherheit um die Auswirkungen der Zölle, rund um die Deadline am 9. Juli und die erratische Entwicklung der Handelspolitik ist mit erneuten Marktverwerfungen und erhöhter Volatilität, insbesondere an den Aktienmärkten, zu rechnen. Eine entsprechend vorsichtige Positionierung erscheint angezeigt.
Gerade in einem solchen Umfeld ist eine klare und strukturierte Anlagestrategie entscheidend. Mit steigender Volatilität sinkt häufig und fälschlicherweise der Anlagehorizont, was die Gefahr erhöht, im falschen Moment Verluste zu realisieren. Umso wichtiger ist es, sich heute so aufzustellen, dass man zukünftige Marktchancen nutzen kann, wenn die Schwankungen erneut zunehmen.
Auf regionaler Ebene bevorzugen derzeit den Schweizer Aktienmarkt, der durch die Rückkehr zu erwarteten Negativzinsen Rückenwind erhält. Ausserdem haben wir aufgrund der schwächeren USD-Aussichten und dem verbesserten Momentum bei den Unternehmensergebnissen unser Untergewicht im Bereich der Schwellenländer aufgelöst. Im Gegenzug haben wir den japanischen Aktienmarkt auf Untergewichten reduziert, da hier die geldpolitische Normalisierung noch in vollem Gange ist, während starke Kursgewinne aus den vergangenen Jahren resultieren. Bei den Sektoren setzen wir selektiv auf Versorger, welche durch die fortschreitende Elektrifizierung strukturellen Rückenwind geniessen und konjunkturunabhängiger sind als viele andere Branchen.

Zudem bleiben Qualitätsdividendenwerte ein zentraler Baustein zur Dämpfung der Portfolio-Volatilität. Eine leicht erhöhte Cash-Quote ermöglicht es Anlegern, auf Rückschläge flexibel zu reagieren und Opportunitäten gezielt zu nutzen. Insgesamt bleibt die Ausrichtung defensiv und selektiv, mit dem Ziel, Stabilität in einem politisch geprägten Marktumfeld zu sichern.
Appendix & Disclaimer
Mit SoundInsights beurteilen wir systematisch und konsistent die Aspekte, die für die Entwicklung der Finanzmärkte relevant sind. In der Folge können sich unsere Kunden auf eine rationale und antizyklische Umsetzung unserer Anlageentscheidungen verlassen.
- Konzentration auf das Wesentliche
Zinsniveau, Risikoaufschlag, Bewertung, Wirtschaftsentwicklung, Anlegerstimmung und -positionierung. Das sind die zentralen Faktoren. Sie entscheiden über den Erfolg an den Finanzmärkten. Besonders in turbulenten Zeiten, wenn die Versuchung besonders gross ist, irrational den Schlagzeilen hinterherzulaufen. - Vergleichbarkeit über Ort und Zeit
Die genannten Faktoren sind für alle Märkte und zu jeder Zeit gleichermassen relevant. Dies ergab sich aus einem strengen «Backtesting», welches sich rollend in die Zukunft fortsetzt. - Bündeln unserer kumulierten Anlageerfahrung
Unsere Stärke liegt in den langjährigen Erfahrungen unserer Partner und Principals. Genau diese Erfahrungen fassen wir zusammen und machen sie mittels SoundInsights anwendbar. - Transparenz
Durch die monatliche Publikation wissen unsere Kunden stets, wo wir im Anlagezyklus stehen und wohin die Reise an den Finanzmärkten geht.
Das vorliegende Dokument dient ausschliesslich zu Informationszwecken und ist als Werbung zu verstehen. Es wurde von SoundCapital (nachfolgend «SC») mit grösster Sorgfalt erstellt. Trotz sorgfältiger Bearbeitung übernimmt SC keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität der enthaltenen Informationen und lehnt jegliche Haftung für Verluste ab, die durch die Nutzung dieses Dokuments entstehen könnten. Die in diesem Dokument geäusserten Meinungen spiegeln die Einschätzungen von SC zum Zeitpunkt der Erstellung wider und können sich ohne vorherige Ankündigung ändern. Es handelt sich weder um ein Angebot noch eine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten oder zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen. Empfängern wird empfohlen, eigene Beurteilungen vorzunehmen und gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Beraters die Informationen in Bezug auf ihre individuellen Umstände sowie deren rechtliche, regulatorische und steuerliche Auswirkungen zu überprüfen. Obwohl die Informationen aus als zuverlässig angesehenen Quellen stammen, übernimmt SC keine Garantie für deren Genauigkeit. Vergangene Wertentwicklungen von Anlagen sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Ergebnisse. Ebenso sind Prognosen zur Wertentwicklung nicht als verlässlicher Indikator für künftige Ergebnisse zu verstehen. Dieses Dokument richtet sich nicht an Personen, deren Nationalität oder Wohnsitz den Zugang zu solchen Informationen rechtlich einschränkt. Eine Vervielfältigung, auch auszugsweise, ist nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung von SC gestattet.
© 2025 SoundCapital.
Datenquelle: Bloomberg, BofA ML Research