SoundInsightN°34
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US-Zölle auf Schweizer Exporte: Einordnung und Ausblick
In der Nacht auf den 1. August 2025 kündigten die USA an, ab dem 7. August Importzölle von 39 % auf Schweizer Produkte zu erheben. Betroffen ist ein Handelsvolumen von rund 50 Mrd. Schweizer Franken jährlich – die USA sind nach der EU der zweitwichtigste Absatzmarkt für Schweizer Exporte.
Politisches Signal oder Bruch in den Verhandlungen?
Die Entscheidung kam unerwartet: Noch im Juni 2025 lobte US-Finanzminister Bessent öffentlich die bilateralen Beziehungen, im Juli unterzeichnete der Bundesrat eine abgestimmte Absichtserklärung. Diese wurde jedoch nie vom US-Präsidenten gegengezeichnet. In einem letzten Telefonat informierte Donald Trump die Schweiz, dass für ihn der bilaterale Handelsbilanzüberschuss ausschlaggebend sei, eine Einigung sei nicht möglich.
Dabei wird ausgeblendet, dass der Überschuss primär durch Gold- und Pharmaexporte entsteht –Sektoren, die wenig preissensibel sind. Genau diese Branchen scheinen aktuell von den Zöllen ausgenommen zu sein, was die wirtschaftspolitische Zielgerichtetheit der Massnahme infrage stellt. Der abrupte Kurswechsel wirkt daher weniger strategisch als erratisch, Ausdruck eines fragilen, schwer kalkulierbaren Verhandlungsprozesses.
Schweizer Exporte: Qualität statt Preis
In der Debatte um Zölle gerät ein entscheidender Punkt leicht in den Hintergrund: Schweizer Exporte konkurrieren selten über den Preis, sondern über Qualität, Verlässlichkeit und Spezialisierung – von Präzisionsinstrumenten bis zu innovativen Medikamenten. Die Nachfrage nach solchen Produkten ist meist wenig preissensitiv. Selbst bei höheren Kosten sind Ersatzprodukte oft kurzfristig nicht verfügbar.
Das verschafft der Schweiz Verhandlungsspielraum und erhöht gleichzeitig den Druck auf die US-Seite: Wo Güter nicht substituierbar sind, bleiben die höheren Kosten im US-System hängen – bei Unternehmen, Importeuren oder Konsumenten. Die Massnahme droht, sich als wirtschaftliches Eigentor für die USA zu erweisen.
Wer trägt die Zölle?
Importpreisdaten zeigen, dass US-Zölle bislang kaum durch Preisanpassungen der Exportländer kompensiert wurden. Laut Bloomberg Economics stiegen die «tariff-inclusive»-Importpreise seit Jahresbeginn nahezu im Gleichschritt mit den Zöllen, um 11 % bei einem Zollanstieg von 10,9 %. Das legt nahe: Die Kosten bleiben primär bei US-Importeuren und Konsumenten. Sollten sich diese Effekte verfestigen, droht innenpolitischer Widerstand gegen die protektionistische Agenda.
Wirtschaftliche Belastung und Wachstumsrisiken
UBS schätzt, dass sich die durchschnittliche Zollbelastung für Schweizer Exporte auf bis zu 41,2 % erhöhen könnte, vorausgesetzt, auch Pharma und Gold würden künftig neben bereits bestehenden Zöllen ebenfalls erfasst. Die geschätzte Gesamtbelastung von 41,2 % liegt über den angekündigten 39 %, da bestehende Zölle, insbesondere 50 % auf Stahl und Aluminium, weiterhin gelten und die neuen Abgaben voraussichtlich darauf aufgeschlagen werden. Ein Anstieg um 10 Prozentpunkte beim durchschnittlichen Zollsatz könnte das Schweizer BIP innert Jahresfrist um rund 0,2 Prozentpunkte dämpfen.
Besonders exponiert sind konjunktursensitive Branchen wie Maschinenbau, Chemie und die Uhrenindustrie – ohnehin schon belastet durch globale Nachfrageschwäche, starken Schweizer Franken und gestiegene Kurzarbeit. Bleiben die Zölle bestehen, sind dort überproportionale Bremseffekte zu erwarten.
Die SNB im Dilemma
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) steht ohne eine Einigung im Zollstreit unter Zugzwang. Zwar sprechen die schwächeren Wachstumsperspektiven für geldpolitische Lockerungen, doch die SNB betont Zurückhaltung bei Zinssenkungen, welche das Zinsniveau wieder in den negativen Bereich bringen würden. Wahrscheinlicher sind Deviseninterventionen, vor allem, wenn der Franken weiter aufwertet. Die US-Beobachtung möglicher Währungsmanipulationen schränkt diesen Handlungsspielraum jedoch zusätzlich ein.
Märkte denken langfristig
Kurzfristig ist mit Druck auf Schweizer Aktien zu rechnen, insbesondere bei US-exponierten Unternehmen. Die Märkte bleiben nervös, doch die bislang moderate Reaktion deutet darauf hin, dass viele Investoren mit einer Einigung rechnen. Bleibt diese aus, steigen Margendruck und Unsicherheit, vor allem in zyklischen Exportbranchen.
Mittel- und langfristig jedoch zählt für Investoren anderes: Marktstabilität, Innovationskraft und strukturelle Wettbewerbsfähigkeit. Märkte orientieren sich an diesen Faktoren, nicht an temporären politischen Manövern. Zudem sind Strafzölle selten von Dauer, eine Überreaktion an den Märkten würden wir als Chance werten.
Qualität und Vertrauen als Erfolgsfaktor
Die neuen US-Zölle treffen die Schweiz empfindlich, aber auch die USA. Schweizer Unternehmen sind strukturell stark: ihre Produkte sind hochspezialisiert, schwer ersetzbar und teilweise unverzichtbar. Qualität, Präzision und Vertrauen setzen sich auch in Zeiten protektionistischer Rhetorik durch.
Entsprechend halten wir den Schweizer Aktienmarkt weiterhin für attraktiv bewertet. Besonders grosskapitalisierte Unternehmen zeichnen sich durch eine hohe internationale Diversifikation, starke Bilanzqualität und stabile Cashflows aus, Merkmale, die in volatilen Phasen besonders geschätzt werden.
Langfristige Argumente für Schweizer Aktien bleiben intakt
Defensive Branchenstruktur: Der Schweizer Markt ist überdurchschnittlich stark in defensiven Sektoren wie Gesundheit, Konsumgüter und Basistechnologie engagiert, mit geringerer Zyklizität und höherer Visibilität.
- Innovationskraft und Regulierungskompetenz: Schweizer Unternehmen sind in hochregulierten, forschungsintensiven Märkten führend, etwa Pharma, Medtech oder Präzisionstechnologie.
- Stabile Rahmenbedingungen: Die politische Stabilität, die solide Fiskalpolitik und die verlässliche Rechtsordnung bilden ein robustes Fundament für nachhaltiges Wirtschaften, gerade im Vergleich zu anderen Märkten.
- Währungsstärke als Vertrauenssignal: Der Schweizer Franken bleibt ein sicherer Hafen, nicht nur für Anleger, sondern auch für multinationale Konzerne mit Sitz in der Schweiz. Eine starke Währung reflektiert strukturelles Vertrauen, selbst wenn sie kurzfristig als Belastung wirkt.
Angesichts dieser Faktoren sehen wir die aktuelle Zolldebatte eher als temporäre Belastung, denn als strukturellen Bruch. Für langfristig orientierte Investoren bleibt der Schweizer Markt ein verlässlicher Anker mit klarer Qualitäts- und Stabilitätsprämie.
Allerdings bleibt abzuwarten, ob die Zölle in vollem Umfang tatsächlich zur Umsetzung gelangen. Sollte dies der Fall sein, wären weitere erhebliche Marktverwerfungen nicht auszuschliessen, entsprechend ist in der aktuellen Phase Vorsicht geboten.
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Datenquelle: Bloomberg, BofA ML Research